Ein neuer Gottesbeweis?


                                                         Darstellung 1: Thomas von Aquin
                                   (der ebenso wie jetzt ich eine längere Zeit in Montecassino lebte)        

Ob hier wirklich ein neuer Gottesbeweis vorliegt, ist fraglich. Ob er wirksam ist, ebenso. Unten sind Leer-, Bau- und Kritikstellen aufgelistet, die weiter untersucht werden müssen, um die Wirksamkeit des Beweises zu präzisieren.

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Prämisse I

1. Eine wahrheitsbeanspruchende Aussage a steht immer in Abhängigkeit der vorausgesetzten Wahrheit β eines vorausgegangenen Prinzips b, das durch seinen festgesetzten Wahrheitsanspruch den Wahrheitsanspruch der ursprünglichen Aussage a legitimiert.

2. Das Prinzip b hat wiederum, um den Wahrheitsanspruch α von a fruchtbar zu legitimieren, in Legitimation eines weiteren Prinzips c zu stehen, das β legitimiert.

3. Und so weiter.

Prämisse II

1. Eine Kette dieser kontingenten, wahrheitsbeanspruchenden Prinzipien muss, um den ersten Wahrheitsanspruch α der Aussage a ontologisch zu fundieren
a. in einer Abfolge immer neuer, kontingenter Prinzipien weitergeführt werden oder
b. in einem ersten Axiom münden

Synthese I

Eine kontingente, wahrheitsbeanspruchende Prinzipienabfolge ist als ontologischer Wahrheitsanspruch unmöglich. Denn
a. unter Prinzip (Pr.
IIa) besteht im Wahrheitsanspruch keine Fundierung ontologischer Natur.
b. unter Prinzip (Pr.
IIb) ist im Mindesten ein Prinzip der Legitimationsabfolge von nicht kontingenter Natur.

Ergo: Um seinen Wahrheitsanspruch ontologisch zu fundieren muss die Legitimationsabfolge ein Prinzip notwendiger Wahrheit besitzen, das alle anderen Prinzipien ontologisch fundiert. 

Prämisse III

1. Um als Prinzip von notwendiger Wahrheit zu sein, muss das Prinzip a priori in der Natur seines Seins begründet existieren.
b. Ergo, die Existenz des Prinzips muss gleich der Essenz des Prinzips sein.

Prämisse IV

1. Das notwendige Prinzip kann seine Existenz nicht aus dem Sein eines anderen Prinzips speisen, sondern muss, um aus sich selbst zu existieren, das volle Sein besitzen.

2. Fernerhin kann das notwendige Prinzip nicht in seiner Fülle in einen kontingenten Rahmen von Wort, Bild oder Gefühl gefasst werden, sondern muss a priori alle etablierten Kategorien transzendieren, um nicht in Kontingenz zu verfallen.

Synthese II

Damit setzt die Existenz eines gültigen Wahrheitsanspruchs die Existenz eines notwendigen, das volle Sein besitzenden Wesens voraus, dessen Existenz a priori in seiner Essenz begründet ist und alle Rahmen kontingenter Wahrnehmung überschreitet. 

In den Worten Thomas von Aquins: Und dies nennen alle Gott.

Prämisse V

1. Alle Aussagen, auch wenn sie das Prinzip der Wahrheit selbst verneinen, erheben notwendigerweise einen Wahrheitsanspruch, indem sie die Realität des Besagten explizieren.

2. Ein Wahrheitsanspruch setzt notwendigerweise die tatsächliche Existenz ontologischer Wahrheit voraus, nämlich dieser der feststellbaren Richtig- oder Falschheit des Aussagengehaltes, was einen Rekurs auf einen objektiv feststellbaren Maßstab an reeller Wahrheit konstituiert.

Prämisse VI

1. Eine faktische Aussage ohne Wahrheitsanspruch ist unmöglich. Selbst die Ablehnung der Richtigkeit des Besagten oder der Wahrheit selbst setzt so voraus, dass die Analyse den wahrhaften Gegebenheiten gebiert. Dies konstituiert einen Wahrheitsanspruch.
b. Ergo, jede faktische Aussage verweist ontologisch auf jenes notwendige Sein, das wir Gott nennen. 


Synthese III

Dadurch ist Folgendes bewiesen:

Die Existenz Gottes ist aus der notwendigen Existenz eines das volle Sein besitzenden Prinzips gegeben, das seine Existenz aus seiner Essenz selbst speist.

Dies ist notwendig, um die ontologische Realität des Wahrheitsanspruchs in einer jeden Aussage zu fundieren.

Dies ist notwendig, da jede Aussage einen inhärenten Wahrheitsanspruch besitzt.

Dies ist notwendig, da eine Aussage ohne Wahrheitsanspruch in sich selbst unmöglich ist.

Die Existenz Gottes ist somit durch die Existenz der Aussage, es gäbe ihn, bewiesen.

Fernerhin ist hierdurch dessen Existenz aus seiner Essenz bewiesen.

Fernerhin ist hierdurch dessen Vollzug des ganzen Seins bewiesen.

Fernerhin ist hierdurch dessen Existenz als Übermaßphänomen, das die Grenzen von kontingenter Wahrnehmung in Wort, Bild oder Gefühl überschreitet.

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Der Gottesbeweis verfügt noch, soweit ich das feststellen kann, über mehrere argumentative Leer- und Baustellen. Diese werden hier vielmehr paradigmatisch als Voraussetzungen eingesetzt und als Prämissen verwertet, benötigen ihrerseits aber eigene Arbeit und Beweise, um ihren Wahrheitsgehalt darzulegen. Zu begründen wären im Wesentlichen zweierlei Punkte:

1. Ob wirklich jeder Aussage ein Wahrheitsanspruch zuzumessen ist; ergo, wie rein performative Aussagen zu behandeln sind, oder die Verallgemeinerung, alle Aussagen seien im Prinzip Ausdruck sozialer Performativität, in denen "Wahrheit" vielmehr ein komunikatorisches Prinzip bleibt. Somit wird im Beweis auch von vornherein angenommen, dass "Wahrheit" als Solches tatsächlich kein reines soziales Konstrukt ist, sondern eine reelle ontologische Fundierung besitzt. Das Problem der Zirkularität muss hierbei noch gänzlich ausgeschlossen werden.

2. Ob ein epistemischer Wahrheitsanspruch einer ontologischen Fundierung benötigt. Auch hier wird per se angenommen, dass der Wahrheitsanspruch einer Aussage Rekurs auf eine tatsächlich existente ontologische "Wahrheit" nimmt; die Gefahr der Zirkularität gilt es auch hier zu vermeiden, da die paradigmatische Annahme ontologischer Fundierung des Wahrheitsanspruchs eigentlich erst bewiesen werden sollte.

Meinem Ermessen nach sind dies die beiden Hauptprobleme des Gottesbeweises, denen ich mich anzunehmen habe. Weitere Gedanken werde ich hier teilen. 

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